Wir weisen gerne auf eine Poster-Veröffentlichung unseres Mitglieds Palliativnetz Travebogen hin. Das Ethikkomitee Travebogen hatte auf dem diesjährigem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ein Poster zur »partizipativen Werte- und Haltungsfindung am Beispiel der Beihilfe zur Selbsttötung« vorgestellt:
Bei schwerer Erkrankung und am Lebensende sind Todeswünsche häufig. Selten äußern Patient:innen die Absicht sich selbst zu töten und bitten dabei um Hilfe. Der Umgang mit herangetragenen Wünschen nach Beihilfe zur Selbsttötung kann eine herausfordernde Situation sein.
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. empfiehlt, dass Mitarbeitende und Institutionen der Hospizarbeit sowie Palliativversorgung die eigene Haltung zum Themenkomplex reflektieren. Neben der individuellen Positionsklärung sollen Mitarbeitende an der Entwicklung einer institutionellen Haltung zum Thema Beihilfe zur Selbsttötung mitwirken. Auf Basis dieser Empfehlungen wurde ein partizipativer Ansatz entwickelt, um die Mitarbeitenden in diese Haltungsfindung und -entwicklung zu integrieren.
In einem ersten Schritt wurden 2021 von einer organisationsinternen multiprofessionell besetzten Arbeitsgruppe mögliche Positionen zum assistierten Suizid im eigenen Arbeitsbereich ausgelotet und in einem Positionspapier zusammengeführt. Im zweiten Schritt wurden seit 2022 fortlaufend einrichtungsinterne Schulungen zum »Umgang mit Todeswünschen« (adaptiert nach Kremeike und Voltz) aller Mitarbeitenden mit Kontakt zu Patienten und Patientinnen im Umfang von zwei Tagen durchgeführt. Aufbauend auf diesen Vorarbeiten wurde ein einrichtungsinternes Befragungsinstrument zur Ermittlung der persönlichen Einstellung zum Themenkomplex erstellt, welches 2023 als Grundlage einer freiwilligen und anonymisierten Online-Umfrage unter allen Beschäftigten der Organisation diente. Die Fragen gliederten sich in die drei Bereiche: Bedeutung und Auswirkung auf die eigene Tätigkeit, denkbare eigene Handlungen sowie Entwicklungsmöglichkeiten.
An die MEGSH wenden sich ebenfalls Menschen, die für sich selbst einen Sterbewunsch formulieren oder an die ein solcher im persönlichen oder beruflichen Umfeld herangetragen wurde. Auf der letzten Mitgliederversammlung wurde darüber diskutiert, inwieweit wir selbst einen Prozess zur Haltungsfindung in der Ethikberatung benötigen.
Wir freuen uns, dass unser Mitglied Hospizinitiative Eutin e. V. mit einem eigenem Ethikberatungsangebot vor Ort gestartet ist:
https://hospizinitiative-eutin.de/ambulante-ethikberatung.html
Mit Wiebke Kayser-Bauch, Anette Müller, Klaus Häring und Alexandra Schmidt bieten vier zertifizierte Ethikberatende Unterstützung bei ethisch schwierigen Situationen am Lebensende im Raum Eutin an.
Das Angebot einer Ethikberatung ist Ausdruck guter Fachlichkeit in Palliative Care, wie sie u. a. in der S3 Leitlinie Palliativmedizin empfohlen wird, und Zeichen eines großen hospizlichen Engagements.
Die Vernetzung mit und Förderung von lokalen Ethikberatungsangeboten ist ein wichtiges Anliegen der Mobilen Ethikberatung im Gesundheitswesen für Schleswig-Holstein (MEGSH) e. V.
Bei ethischen Konflikten führt die Rede vom richtigen und falschen Handeln häufig in die Irre. Stattdessen geht es oftmals darum, die Verantwortung für die eigenen Entscheidungen tragen und vertreten zu können. Die Bedeutung von Vertrauen in die eigenen ethischen Überzeugungen soll hierbei näher betrachtet werden.
Als Fortbildungsangebot im angewandten Feld der Ethikberatung haben Dr. Nele Röttger, Prof. Alfred Simon, Prof. Ralf Stoecker und Dr. Johanna Wagner das Philosophische Coaching entwickelt. Ziel dieses Angebots ist es, Raum für einen ethisch-philosophischen Austausch zu schaffen, argumentative Zusammenhänge nachzuvollziehen, ethische Kenntnisse zu vermitteln sowie die eigenständige systematische Reflexionsfähigkeit weiterzuentwickeln.
Dr. Nele Röttger ist Gesundheits- und Krankenpflegerin, promovierte Philosophin und zertifizierte Ethikberaterin (AEM). In ihrer Arbeit an der Universität Bielefeld hat sie zum Konzept der Selbstachtung und den Grundlagen der angewandten Ethik geforscht. Aktuell beschäftigt sie sich mit den Grenzen medizinischen Wissens und der Frage, worin medizinische Expertise besteht, sowie mit der Vermittlung von philosophischen Kompetenzen im Gesundheitswesen.
29. November 2024, 16:00 Uhr bis 17:30 Uhr
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Hörsaal der Pharmakologie, Hospitalstr. 4, Haus U 37
https://www.pharmakologie.uni-kiel.de/de/institut/anfahrt
Im Anschluss an die Veranstaltung findet ab 18 Uhr die Mitgliederversammlung der MEGSH statt. Zwischen den Veranstaltungen besteht die Möglichkeit für Austausch und Stärkung am Buffett. Zur besseren Planung bitten wir um eine kurze Anmeldung unter kontakt@megsh.de
Wir freuen uns auf kürzliche Veröffentlichungen zweier Vereinsmitglieder hinweisen zu dürfen.
Die Beisitzende im Vorstand und Ethikberaterin Dr. med. Merwe Carstens veröffentlichte kürzlich ihr Buch im Hospiz Verlag. Sie berichtet über eine Reihe von Menschengeschichten, die ethische Fragen aufwerfen und die damit verbundenen Dilemmata – von der freien Wohnortwahl bis hin zur Tötung auf Verlangen – für das palliative Behandlungsteam, die Betroffenen und deren An- und Zugehörigen, die vor schweren Entscheidungen stehen, bei denen es um Leben und Tod, individuelle Autonomie und gerechte Verteilung von Ressourcen geht. Jede Fallgeschichte eröffnet eine einzigartige Möglichkeit, die komplexen Zusammenhänge zwischen Medizin, Moral und Menschlichkeit zu verstehen.
https://www.hospiz-verlag.de/produkt/die-ethische-fallbesprechung-in-der-palliativen-begleitung/
Die Ethikberaterin Petra Seiler kommentierte einen Fall in der Fachzeitschrift Ethik in der Medizin: Bei einer Patientin mit fortgeschrittenem Brustkrebs war es im Rahmen einer Notfallbehandlung zu Eindringen von Blut in die Luftwege gekommen, weswegen sie intubiert und beatmet wurde. Die Patientin hatte im Vorfeld allerdings verfügt, dass sie eine Intubation bei Komplikationen ablehnt. Der behandelnde Oberarzt der Klinik traf daraufhin die Entscheidung, die Patientin in tiefer Narkose zu extubieren, was ihren Tod zur Folge hatte. Im Behandlungsteam kam es zu erheblichen Irritationen und rechtlichen Diskussionen.
Nach Darstellung der verschiedenen Handlungsoptionen kommt Petra Seiler in ihrer ethischen Bewertung zu dem Schluss, dass es sich um einen Behandlungsabbruch in Übereinstimmung mit dem vorausverfügten Willen handelte und dies somit zulässig und geboten war. In ihrem Artikel wirbt sie um Transparenz hinsichtlich der Motive medizinischer Handlungen und fordert unter anderem interprofessionelle Diskurse und Reflexionsprozesse zu Werten und Zielen in der Patientenversorgung.
https://link.springer.com/article/10.1007/s00481-023-00769-3
In tiefer Betroffenheit teilen wir Ihnen mit, dass Thomas Schell am 29. Januar 2024 unerwartet und plötzlich verstorben ist.
Er hat als Geschäftsführer der Palliativnetz Travebogen gGmbH die Entwicklung und den Aufbau der MEGSH maßgeblich mit gefördert und tatkräftig unterstützt. Zuletzt wurde er am 27. November 2023 als Schatzmeister in den Vorstand gewählt. Er stand für einen visionären Pragmatismus:
„Mit Herz, Hand und Verstand.“